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Es war einmal ein gottesfürchtiger Mann, ein Pharisäer. Er kannte die Bibel, er kannte die Gesetze und er hielt sich streng daran. Es war ihm ein Anliegen, dass sich alle anderen auch daran halten, denn er war zutiefst überzeugt: Wenn alle nur noch tun, was Gott gefällt, dann kommt Gottes Reich, dann haben wir den Himmel auf Erden.
Eines Tages trifft dieser Mann auf Jesus und er fragt ihn: Wenn du Gottes Sohn bist, dann sag mir doch bitte: Wann werden wir es geschafft haben? Wann kommt Gottes Reich? Jesus antwortet: Man kann nicht eines Morgens aus dem Fenster schauen und sagen: Ach schau mal an, da ist es ja!
Nein, das Reich Gottes ist schon da – mitten unter euch.
(Lk 17,21)
Der Pharisäer bedankt sich höflich und geht wieder. Aber er weiß jetzt auch nicht so genau – soll er sich darüber freuen oder doch eher enttäuscht sein? Also, es ist ja schon eine tolle Sache, dass der Himmel schon auf Erden ist – aber wo genau ist er denn? Unterwegs läuft er an zwei römischen Soldaten vorbei. In deren Schwertern kann der Himmel schon mal nicht sein. An der nächsten Straßenecke bittet ihn ein Aussätziger um ein paar Almosen. Als er so tut, als hätte er ihn nicht gehört, denkt er: „Nein, da sicher auch nicht.“ und beschleunigt seinen Schritt. Am Stadttor hält ein Zöllner seine Hand auf. Missmutig drückt der Pharisäer seine Münze hinein und weiß jetzt ganz sicher: Das kann nicht das Reich Gottes sein. Dieser Jesus ist ein Lügner und ein Hochstapler.
Zwischenzeitlich sind zweitausend Jahre vergangen. Aus Schwertern wurden Panzer, aus Ausgrenzung wurde Menschenverachtung und Geldgier beherrscht die Welt. Würde der Pharisäer heute noch leben, bin ich mir sicher, dass er sich in seiner Meinung sehr bestärkt fühlen würde. Also nehme ich ihn an der Hand und schleppe ihn mit mir aufs Heavy-Metal-Festival. Wir laufen durch die Zeltreihen und sehen, wie Menschen lachen und ihr Essen teilen, die sich heute zum ersten Mal getroffen haben. Wir sehen Einen mit blutiger Nase auf dem Boden sitzen, weil er hingefallen ist. Aber noch bevor wir zweimal hinschauen können, sind schon drei Fremde auf ihn
zugegangen, haben ihm aufgeholfen, ihm Wasser gegeben und bringen ihn zu seinem Zelt.
Wir laufen an unzähligen Leuten mit schwarzen T-Shirts und Lederjacken vorbei. Alle sehen gleich aus. Und keinem sieht man an, ob er nach Festival wieder in Anzug und Krawatte schlüpft oder in die gelben Gummihandschuhe. Nach dem Konzert, bei dem ihm irgendjemand auch noch ein Bier ausgegeben hat, weil beide die gleiche Band gut finden, fragt er mich: „Ist das hier echt? Sind die Menschen wirklich so?“ Ich nicke. Ich selbst habe auf dem Festival schon etliche Samariter getroffen, die mir geholfen haben – einfach nur, weil ich Hilfe gebraucht habe. Der Pharisäer schüttelt den Kopf. „Aber was ist mit den Panzern? Der Gier? Der Verachtung?“ „Naja“, antworte ich, „Jesus hat ja nie gesagt, das Reich Gottes sei überall. Mitten unter euch heißt vielleicht nur so viel wie irgendwo dazwischen. Man muss es halt suchen.“ Danach ist er lange still. Auf dem Heimweg sagt er: „Man muss es suchen. Und wenn man es nicht findet, muss man es eben selbst bauen.“ und schenkt mir zum Abschied sein teures neues Band-Shirt.
Ihre Pfarrerin Roswitha Schiling









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